Saisonspiele 2023/24

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von Conrad Hipp

Es ist herbstlich kalt in Berlin. Trotzdem mach ich mich raus, weil ich mal wieder mit einem alten Wolf verabredet bin. Am U-Bahnhof Ullsteinstraße in Tempelhof warte ich auf Jan-Eike Albrecht. Seine Bahn rollt ein, natürlich steigt er ganz vorne aus. Die erste Reihe, da wo er sich wohlfühlt. Mit einem Lächeln begrüßt er mich, immer noch genauso gut gelaunt wie damals immer. Auch äußerlich hat sich bei ihm wenig verändert seitdem er im Mai 2014 das Wolfsrevier verlassen hat. Wir schlendern am Tempelhofer Hafen entlang, Jan hat sich in eine schwarze Jacke gepackt, erzählt mir von seinem Leben.

"Ich studiere seit vergangenem Jahr soziale Arbeit und mache gerade mein Praktikum", erzählt er mir. Er ist jetzt im vierten Semester, das Praktikum in der Bewährungshilfe kostet ihn viel Zeit und Kraft. "Da trifft man harte Typen, manchmal hat man Mitleid mit den Menschen, manchmal sind sie krank und haben deshalb scheiße gebaut. Bei anderen ist man einfach fassunglos, was die gemacht und erlebt haben", erzählt er von seinem Alltag. Wir suchen uns einen Platz in der Diamond Lounge, einer hübsch eingerichteten Shisha-Bar am Tempelhofer Damm. Er blättert in der Karte, "Minze ist doch immer gut oder?", fragt er mich. "Klar, nur in der Mischung mit Bier nicht", lache ich zurück.

Dann beginnt unser ehemaliger Scharfschütze von seinem Privatleben zu plaudern. Mit leuchtenden Augen erzählt er mir von seinem Sohn. "Er heißt Achilles. Irgendwie fanden wir den Namen beide cool. Der stand schon fest, bevor das Kind überhaupt gezeugt war", lacht er. "Ich wollte auch unbedingt, dass mein Kind den Spitznamen Chilli trägt. Ist doch ein cooler Rufname oder?" Achilles wurde im Juni 2014 geboren, die ersten Tage waren schwer. "Er wog nur 2200 Gramm, die Ärzte hatten ihn auf ein Kilo mehr geschätzt. Er wurde nicht richtig versorgt, kam dazu noch mit Down-Syndrom auf die Welt", erzählt Jan von der schwierigen Zeit um die Geburt herum mit Erleichterung, dass alle Beteiligten diese Zeit gut überstanden haben.

ov janeikeMit Freude spricht er von seinem Sohn. "Wenn ich nach Hause komme, lässt er alles liegen und kommt angerannt. Wenn er auf meinem Arm sitzt, will er immer hüpfen". Ich merke ihm die Freude deutlich an, ein stolzer Papa. Mit Mama Manuela ist Jan seit gut zwei Jahren verlobt, im nächsten Jahr will er ihr das Ja-Wort geben. "Nach elfeinhalb Jahren kann man das schonmal machen", lacht er. "Da weiß man, dass man sich versteht". Mutter und Nachwuchs sind auch bei den Handballspielen schon mit dabei. Mit Gehörschutz sitzt der Junior auf der Tribüne und verfolgt die Auftritte des Daddys. "Er klatscht nur immer für die falsche Mannschaft", grinst Jan, der seit Sommer 2014 für den HSV Oberhavel in der Brandenburgliga spielt. "Auswärts fahren meistens nur meine Verlobte und meine Eltern und vielleicht noch eine Freundin eines Spielers mit. Da sind die Heimfans eben lauter, an denen orientiert sich der Kleine dann." Klingt logisch.

"Die Kulisse in Wünsdorf war immer krass"

grebeBei Heimspielen fehlen die Zuschauer. In Oranienburg spielt der HSV im Schatten des Oranienburger HC, hat im eigenen Verein kaum Unterbau. Daher bleibt die Halle oftmals ziemlich leer. "Das war damals in Wünsdorf ganz anders. Da hatten wir zu Top-Spielen ja teilweise 400 Leute in der Halle, das war schon krass", erinnert sich Jan an die gut gefüllte Paul-Schumann-Halle und erkundigt sich bei mir, wie die Stimmung mittlerweile ist. Das Geschehen beim MTV verfolgt er immernoch. Er freut sich, dass der Verein sich wieder gefangen und neu strukturiert hat. "Es ist schon traurig gewesen, wie das damals alles gelaufen ist. Man ist sechseinhalb im Verein und niemand spricht mit einem, wie es in der neuen Saison aussieht", erzählt er.

Als er erfuhr, dass immer mehr den Verein verlassen würden, tat ihm das weh. "Es war kein schönes Gefühl am letzten Spieltag auf dem Feld zu stehen und Tschüß zu sagen. Alle standen da und wurden mit einem Blumenstrauß verabschiedet, weil einfach alle gingen", sagt er und versteht immer noch nicht so ganz, wieso das damals alles so lief, wie es lief. "Es ist traurig, dass da ein Mann, der alles aufgebaut hat, das plötzlich alles so fallen lässt."

Warum ist er nicht geblieben? "Ich hatte das Gefühl, dass ich noch ein paar Jahre auf dem Niveau spielen kann. Ich hatte die Wahl zwischen Brandenburgliga und Landesliga, habe mich dann für die bessere sportliche Perspektive entschieden. Aber es hat wehgetan, den Verein hinter sich zu lassen. Wünsdorf war für mich wie eine Heimat", sagt Jan nachdem er mit dem Rauch der Shisha einen Ring formte und ihn über seinen Moskito pustet.

Mit Wünsdorf verbindet er immernoch einiges. im Januar 2008 wechselte er aus Luckau ins Wolfsrevier, rettete die Wölfe mit vor dem Abstieg. Er erlebte drei Jahre in Folge die Vizemeisterschaft und stieg 2012 mit dem MTV auf. "Das war eine geile Zeit. Wenn ich mich an die Heimspiel erinnere. Wir hatten mal ein Heimspiel gegen Belzig, da haben wir zur Pause glaube ich 20:8 geführt, da waren schon krasse Spiele bei", erzählt er. "Es war einfach insgesamt eine tolle Atmosphäre im Verein. Danach ging man eben zu den Fans, sprach mit denen", sagt der Scharfschütze, der mit seinen Finten auch heute noch die Gegner ins Leere laufen lässt. 2014 wechselte Jan dann zusammen mit dem ehemaligen Wölfe-Coach Stephan Buchholz sowie Torwart Dominic Lindner und Spielmacher Dirk Becker vom MTV zum HSV. Lindner spielt inzwischen beim MTV Altlandsberg II. Und Dirk Becker? "Der spielt immer noch. Der kann es auch mit 38 noch nicht lassen", lacht er.

Was in Wünsdorf derzeit passiert, mach ihn glücklich. Ich erzähle ihm von unserer Jugend, die er teilweise noch selbst erlebt hat. Mit Freude erzähle ich von unserem Altersschnitt und, dass der Aufstieg in dieser Saison wohl nichts wird, es aber der Entwicklung der Mannschaft vielleicht auch nicht schadet. "Aufsteigen wäre schon nochmal geil", grinst er. Na, mal gucken, ob es der MTV in den nächsten Jahren nochmal schafft.

Selbst steht Jan beim HSV steht vor einer ungewissen Zukunft. Der Vorstand will zum Saisonende aufhören. "Wir spielen derzeit nur Fußball, werfen ein paar Bälle und das wars." Trotzdem spielt Oberhavel in der Tabelle oben mit. "Klar macht das alles Spaß, mit der Truppe zu spielen, zu mal mein Cousin mittlerweile bei uns trainiert Aber man weiß eben nicht, wie es weitergeht", sagt "The Eyce" und lässt seine Zukunft offen. Eins steht fest: Die Schuhe an den Nagel hängen will er noch nicht. "Vielleicht tauche ich auch mit der Sporttasche nochmal in Wünsdorf auf", sagt er plötzlich. "Man muss eben sehen, wie es weitergeht. Aber zum Herbst meiner Karriere nochmal um einen Aufstieg mitspielen, klingt schon reizvoll", sagt er etwas verträumt und erzählt mir dann, dass der Kontakt zum MTV nicht abgebrochen ist. "Ich schreibe öfter noch mit Ronny und als wir in Rangsdorf gespielt haben, hat auch Egon lange mit mir gesprochen".

Momentan genießt er aber zunächst den Spaß am Handball, will beim HSV bleiben und das Familienleben genießen. Nach zweieinhalb Stunden verlassen wir das Lokal, schlendern noch ein paar Meter am Ufer des Tempelhofer Hafen entlang. Und die Zukunft beim MTV? "Ich kann es mir vorstellen, ausschließen würde ich es jedenfalls nicht".

Bevor wir uns verabschieden habe ich aber noch ein kleines Anliegen. Ich erzähle Jan von meinem Treffen mit Marcel Graß vor einiger Zeit. "Marcel hat gesagt, wenn ich dich in meine Mannschaft kriege, kommt er extra aus Finsterwalde nach Wünsdorf in meiner Mannschaft mitzuspielen. Jetzt musst du nur noch Ja sagen", sage ich zu ihm. Er schaut mich an, die Antwort ist knapp. "Bin ich dabei!" Jan kommt nach Wünsdorf, zumindest für ein Freizeitturnier.

Danach verabscheden wir uns und steigen in die U-Bahn. Jeder in eine andere Richtung. "Wir sehen uns", sagt er. Es wäre mir eine Freude, mein Lieber. Und sei dir mal sicher: "JJJaaaaan – Eike Albrecht" kann ich noch genauso laut durchs Mikro hauchen wie damals.

 

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